Open-Air-Telefongottesdienst vom 13. September 2020
Ankomm-Meditation
In meiner Hand liegt eine Scherbe.
Manchmal geht etwas kaputt im Leben.
Dann wirken unüberlegte Worte,
wie ein Elefant im Porzellanladen des Lebens.
Oder bewusst gewählte Worte, die scharf wie ein Schwert sind, treffen hundertprozentig ihr Ziel.
Das Leben ist nicht rosarot:
Schuld, Morallosigkeit, Leichtsinn und fehlender Mut zur Ehrlichkeit,
verletzten Leben.
Der Mensch kann dem Menschen ein Wolf sein – das sagten schon die alten Römer.
Kein schöner Gedanke, doch Teil unserer Wirklichkeit.
In meiner Hand liegt eine Scherbe.
Manches im Leben bleibt Buchstückhaft,
manches braucht seine Zeit, bis es heilt,
manches lässt sich zu zweit besser tragen,
manches verliert seine Macht, wenn es ausgesprochen wird.
In meiner Hand liegt eine Scherbe, Gott.
Von dir erwarte ich, dass ich die Scherben meines Lebens vor dir nicht zu verstecken brauche.
Von dir erwarte ich, dass du mir zu Neuanfängen hilfst.
Von dir erwarte ich, dass Heilung möglich wird.
Gott,
und vielleicht lässt sich aus manchen Scherben ein Mosaik legen,
dass mir eine neue und versöhnte Sicht auf das Leben gibt.
Amen.
Mt 18, 21–35
Evangelium
Wir hören nun das Evangelium. Wir begegnen hier Jesus und Petrus, die über eine sehr ernste Sache miteinander ins Gespräch kommen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach Vergebung, wie oft ein Mensch vergeben soll und wie es Menschen ergeht, die nicht das Gute, was sie erfahren weitergeben. Damit Jesus seine Gedanken besser verdeutlicht erzählt er Petrus und uns ein Gleichnis.
Der Herr sei mit euch.
Aus dem Heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit trat Petrus zu Jesus und fragte:
Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt?
Bis zu siebenmal?
Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.
Dann erzählte Jesus ihnen folgendes Gleichnis:
Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Knechten Rechenschaft zu verlangen.
Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war.
Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen.
Da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat:
Hab Geduld mit mir!
Ich werde dir alles zurückzahlen.
Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld.
Als nun der Knecht hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denáre schuldig war.
Er packte ihn, würgte ihn und sagte:
Bezahl, was du schuldig bist!
Da fiel der Mitknecht vor ihm nieder und flehte:
Hab Geduld mit mir!
Ich werde es dir zurückzahlen.
Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe.
Als die Mitknechte das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war.
Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm:
Du elender Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast.
Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte?
Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.
Damit beendet Jesus das Gleichnis und er fügte noch hinzu:
Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.
Evangelium unsers Herrn, Jesus Christus.
Statements
Statement Rache ist Sauer
Für Jesus ist die Sache klar: Für diejenigen, die ihm Folgen und Nacheifern möchten, heißt es vergeben. Immer wieder. Unzählige Male. So haben wir es gehört.
In der Auseinandersetzung mit dem heutigen Evangelium sind wir zwangsläufig bei den Extrembeispielen in Sachen Vergebung gelandet. Wie soll es möglich sein zu vergeben, wenn es um furchtbarste Verbrechen geht, die unsagbares Leid verursacht haben?
Georg Orwell ist ein bekannter englischer Schriftsteller der 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts, und in dieser Zeit auch als Kriegsberichterstatter unterwegs. In einem seiner Essays mit dem Titel „Rache ist sauer“ beschreibt er Erlebnisse, die ihm hautnah widerfahren sind. So schreibt er folgendes: „Unglücklicher Weise braucht es oftmals einen konkreten Fall, ehe jemand seine wahren Gefühle entdecken kann.“ (S.75) Als er mit einem belgischen Journalisten unmittelbar zum Kriegsende in Deutschland ist und gefallene Soldaten in den Straßen sieht, Plünderungen miterlebt, Zeuge von Erniedrigungen und Verlusten der Bevölkerung wird, wandelt sich der „blinde“ Hass des Kriegspropagandisten. Orwell beobachtet, dass er und sein Journalistenkollege nicht DIE Deutschen der Kriegspropaganda treffen. Durch den direkten Kontakt vor Ort gelingt es den Journalisten, Personen mit einem Lebenslauf, Zerbrechlichkeit neben den Taten zu sehen. Sie empfinden gegenüber den Menschen auf einmal keinen Hass mehr. Im Gegenteil, sie setzen sich sogar für deutsche Personen ein und unterstützen sie.
Einen Menschen kennen zu lernen, gibt eine Chance auf Empathie. Es kommen sympathische oder bemitleidenswerte, verbindende oder mitfühlenswerte Aspekte der Persönlichkeit zu Tage. Vielleicht können diese Lebenserfahrungen uns heute ermutigen, uns auf unser Gegenüber einzulassen - Ihm oder Ihr eine Chance zu geben, mehr zu sein als der Fehler, der uns so sehr verletzt hat und damit aufrichtige Vergebung ermöglichen.
Statement
In diesem Gleichnis erläutert Jesus eine wichtige Grundlage seiner Gedanken, die Vergebung. Vergebung hat viele Facetten; die rationale Sicht, wie sie in einem Zitat des Dalai Lama erscheint: „Vergebung ist ein Akt der Verantwortung, indem wir die die Dinge akzeptieren, wie sie nun einmal sind.“
Dem König in dem Gleichnis ist bewußt, daß der Knecht seine Schuld nicht zurückzahlen kann, wenn er im Schuldturm sitzt, also erläßt er ihm die Schuld und baut darauf, daß der von seiner Schuld befreite Knecht sein Wort hält und sich Mühe gibt, so viel wie möglich zurückzuzahlen.
Vergebung geht aber viel tiefer, als die oberflächliche Begleichung materieller Forderungen.
Da ist das Vertrauen, daß beide Seiten aufbringen müssen, damit Versöhnung gelingen kann.
Der Schuldner vertraut darauf, daß der Schuldiger sein Verhalten ändert und sich zukünftig bemüht weitere Schuld zu vermeiden, und der Schuldiger vertraut darauf, daß der Schuldner ihn nicht mit Zorn oder Haß verfolgt. Vergebung ist also keine Einbahnstraße, sondern eine Art Vertrag auf Gegenseitigkeit und bedarf als solcher die Zustimmung beider Seiten.
In dem Gleichnis bricht der Knecht aber diese Vertrauensbasis durch sein Verhalten seinem Schuldiger gegenüber und weckt damit den Zorn des Königs und wird heftig bestraft.
Wie wichtig der richtige Umgang mit Vergebung für alle Christen ist wird deutlich in der Verankerung der „Gebrauchsanweisung“ im zentralen Gebet der Christenheit, dem „Vater unser“
… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …
Statement „Sakrament der Versöhnung“ Jan
Schuld, Vergeben und Neuanfang haben auch einen festen Platz in unserer Glaubensgemeinschaft. Wir haben dafür sogar eine eigene feste Form: Das Sakrament der Versöhnung. Umgangssprachlich als Beichte bekannt. Es ist das Sakrament, das am wenigsten genutzt wird. Vielleicht auch deswegen, weil manche von uns schlechte Erfahrungen damit gemacht haben. Durch die Beichte wurde Druck ausgeübt und Menschen klein gemacht.
Doch das Gegenteil soll das Sakrament der Versöhnung ermöglichen. Es will uns helfen Schuld zu überwinden und den daraus folgenden Schaden zu heilen.
Die Beichte wirkt in zwei Richtungen: Zum einen will sie uns mit Gott versöhnen. Es schmerzt Gott, wenn wir mit dem womit er Freundschaft geschlossen hat - was er liebt, - schlecht umgehen. Das können z.B. unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und wir selbst sein.
Zum anderen will die Beichte uns helfen, Verantwortung für die Konsequenzen eins Fehlers - einer Schuld - zu übernehmen.
Das Sakrament der Versöhnung hat nur dann Sinn, wenn das eigene Verhalten und deren Konsequenzen ernstgenommen werden und sich die beichtende Person ehrlich diesem stellen will.
Die Beichte ist mit Gottes Vergebung ein Neuanfang, der das Gewissen erleichtern und Heilungsprozesse voranbringen kann.
Fürbitten
Guter Gott, Du sprichst uns Vergebung zu - immer wieder neu und Du eröffnest uns damit die Möglichkeit zum Neuanfang - immer wieder neu.
Im Vertrauen darauf bitten wir Dich:
Lass uns achtsam werden, für das Geschenk Deiner Vergebung. Lass uns bereit sein zum Wandel, zum Neubeginn, zu innerer Großherzigkeit, damit Dein Geschenk nicht vergeblich bleibt.
I:Wandle du mein Leben, Herr erbarme dich:I (Melodie Refrain: meine engen Grenzen)
Vergebung bemisst sich nicht daran, wie oft und wie viel ich vergebe. Und Vergebung bedeutet auch nicht: Einverständnis mit falschem Handeln. Es ist vielmehr eine Haltung. Meine Bereitschaft, die Unvollkommenheit des anderen zu akzeptieren und gleichzeitig den Mut zu Wandel, zu Entwicklung und Leben zu bestärken. Du kennst unsere eigene Sehnsucht nach Vergebung für unsere eigene Unvollkommenheit. Lass uns immer wieder neu einüben, anderen aus tiefem Herzen zu vergeben.
I:Wandle du mein Leben, Herr erbarme dich:I (Melodie Refrain: meine engen Grenzen)
Vergebung, das ist keine Einbahnstraße. Vergebung entsteht aus der Beziehung der Beteiligten. Wenn sich einer entzieht, kann Vergebung nicht gelingen. Öffne unsere Herzen für diese Beziehungsfähigkeit. Mach uns bereit, um Vergebung zu bitten und zu vergeben.
I:Wandle du mein Leben, Herr erbarme dich:I (Melodie Refrain: meine engen Grenzen)
Guter Gott, bleibe bei uns und bestärke uns auf unserem Weg. Darum bitten wir Dich, heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.
Vater Unser
Vater Unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme,
dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit,
in Ewigkeit.
Amen.
Schlussgebet
Lasst uns beten.
Heiliger Geist, Atem Gottes durchwehe mich,
dass ich aufstehe, wo gemobbt wird,
dass ich handle, wo man wegschaut,
dass ich rede, wo man kuscht,
dass ich schweige, wo man schwätzt,
dass ich denke, wo man funktioniert,
dass ich tanze, wo man im Gleichschritt marschiert,
dass ich echt bin, in allem, was ich tue,
dass ich lebe, was ich glaube. Amen.
Segen
Der Weg, der vor dir liegt, ist dein Weg.
Keiner ist ihn vor dir gegangen,
keiner wird ihn nach dir gehen.
Du bestimmst das Ziel deines Weges,
du bestimmst die Richtung
und die Geschwindigkeit.
Für diesen deinen Weg bitten wir Gott um seinen Segen
und seine Begleitung:
Der Herr sei mit euch.
Es segne euch auf eurem Weg:
Gott der Vater, der uns geschaffen hat
Jesus Christus, der uns begleitet
und der Heilige Geist, der uns Kraft für jeden neuen Schritt gibt.
Amen.
Gehet hin in Frieden.