Von Schafen, Hirten und Türen
Telefongottesdienst vom 3. Mai 2020
Meditation
Willkommen zum ersten Telefongottesdienst im Mai. Der Frühling steckt uns in der Nase. Manche haben mit den Pollen zu kämpfen, die die Nase zum Laufen bringen. Andere können ohne Probleme die Frühlingsluft einatmen.
Achtet doch einmal auf euren Atem, wie die Luft durch die Nase in den Körper geht, die Lungenflügel weit aufmacht und den Bauch anhebt. Beim Ausatmen zieht sich der Bauch zusammen, die Luft verlässt über den Hals und die Nase den Körper.
Atmet in Ruhe weiter.
Ein- und Ausatmen…
Ein- und Ausatmen bestimmt unseren biologischen Rhythmus.
Ein- und Ausatmen gehört zu unserem Leben dazu.
Ein- und Ausatmen lässt uns ruhiger werden.
Mit jedem neuen Einatmen strömt frische Luft in uns. Einatmen versorgt uns mit Energie. Mit jedem Ausatmen kann sich eine innere Anspannung lösen. Ausatmen schafft Platz für Neues.
Gott, deine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen, ohne die wir nicht Leben können. Gib, dass wir dir ganz vertrauen können und ohne Angst leben. Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.
Hinführung
Hinführung vom 3. Mai
Der Hirte
Biblischer Text
Im Johannesevangelium hören wir Jesus sprechen: „Amen, amen, ich sage euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Er geht ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.“
Gedanken zum Text
Auf der einen Seite mögen viele Menschen den Gedanken nicht, wie ein Schaf einem Hirten, einem Anführer, hinterherzulaufen. Und es birgt ja auch tatsächlich Gefahren: Hirten, die sich als Diebe und Räuber entpuppen, die nur das eigene Wohl im Blick haben und ihre Macht missbrauchen, gab und gibt es leider viele.
Andererseits spüren viele auch eine Sehnsucht nach jemandem, der ihnen sagt, wo es lang geht, was die richtige Entscheidung ist. Gerade in der aktuellen Krise hatten viele die Hoffnung, dass Virologen und Epidemiologen sagen könnten, was genau zu tun ist. Viele sind auch froh, dass die Politik Entscheidungen zum Schutz aller getroffen hat; und uns damit in Teilen auch eigene Entscheidungen abgenommen hat.
Mit dem Bild des Hirten kommt Jesus dieser Sehnsucht entgegen. Der Hirte ist jemand, der seine Schafe, der uns kennt und uns im Blick hat - und zwar alle! Jemand, den wir an seiner Stimme erkennen können. Jemand, auf dessen Wort wir uns verlassen, dessen Meinung, dessen Rat uns wichtig ist. Jemand, dem wir absolut vertrauen. Jemand, dem wir bedingungslos folgen können, weil wir wissen, dass er uns zum Leben in Fülle führt.
Hoffentlich dürfen wir immer wieder solchen Hirten begegnen. Der ideale gute Hirte bleibt aber wohl nur Jesus selbst. Er ist Vorbild und Maßstab für alle, die Leitung und Verantwortung für andere übernehmen wollen.
Fürbitten
Für alle, die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen. In der aktuellen Situation denken wir besonders an Politiker, Wissenschaftler, Ärzte und Pfleger.
Für alle, die Verantwortung für Kinder und Jugendliche übernehmen: für Eltern und Großeltern, Erzieher, Lehrerinnen und Jugendarbeiter.
Mit Eva aus Bullay bitten wir darum, dass die Kinder bald wieder zur Schule gehen können.
Für alle, die sich nach Orientierung sehnen und nach jemandem, dessen Begleitung sie sich anvertrauen können.
Für alle, die von ihren Hirten enttäuscht wurden. Wir denken besonders an alle, die schlechte und schlimme Erfahrungen mit den Hirten der Kirche gemacht haben.
Das Schaf
Biblischer Text
Im Johannesevangelium hören wir Jesus sprechen: Die Schafe hören auf die Stimme ihres Hirten; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm, denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen.
Gedanken zum Text
Jesus hat eine sehr hohe Meinung von Schafen. Er ist davon überzeugt, dass sie die Stimme ihres Hirten kennen und sogar darauf reagieren. Ja, Schafe sind demnach für Jesus in der Lage, eine Beziehung zum Hirten zu haben, Vertrauen zu spüren, sich aufgehoben zu fühlen in seiner Nähe. Dass sie auf ihren Namen hören, dass sie überhaupt einen Namen haben und damit eine Identität, macht jede dieser unterschiedlichen Beziehungen zwischen dem Hirten und den Schafen einmalig, besonders und wertvoll.
Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen das. Es wurde herausgefunden, dass Schafe ein ungewöhnlich gutes Langzeitgedächtnis besitzen. Ein Schaf kann sich über 50 Gesichter von Mitschafen merken und sogar von Menschen – und zwar mehr als 2 Jahre lang. Von wegen „Dummes Schaf“… Außerdem, sagt die Wissenschaft, sind Schafe gesellig. Am liebsten halten sie sich in Gruppen auf. Und wenn sie das nicht haben können, werden sie nervös und depressiv. Aber wenn man einem einsamen Schaf dann ein paar Passfotos von Artgenossen an die Stallwand klebt, beruhigt sich sein Puls und sein Adrenalinspiegel senkt sich.
Genau das hält Jesus von uns: Dass wir voller Sehnsucht nach guten Beziehungen sind.
Und dass Gott sich wie ein guter Hirte nach Beziehung zu uns sehnt und uns alle einzeln beim Namen nennt, immer wieder - und einmal für immer.
Fürbitten
Für alle, die irgendwie namenlos erscheinen in der Statistik der Corona-Toten.
Für alle, die weiterhin die Namen der Verstorbenen nennen, an sie denken, für sie beten.
Für alle, die während der Kontaktsperre hellhöriger werden für die Stimmen anderer. Für alle, die andere anrufen und Beziehung lebendig halten, auch ohne sich zu sehen.
Für alle, die die Nähe anderer vermissen und sich danach sehnen.
Für alle, die neue Formen suchen, die ausdrücken, dass wir zusammen gehören, auch wenn wir nicht zusammen sein können.
Die Tür
Biblischer Text
Im Johannesevangelium hören wir Jesus weiter sprechen: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Gedanken zum Text
Jesus ist die Tür, die ins Leben führt. Tür – Eingang – Ausgang – Übergang. Tür, die aus der Enge und Begrenztheit hinausführt ins Weite. Die Tür, die offen ist für jeden. Sie bietet jedem und jeder die Möglichkeit hindurchzugehen. Niemandem wird der Durchgang verwehrt. Alle sind eingeladen, eine freie Entscheidung zu treffen, den Schritt zu wagen und bewusst durch die Tür ins Leben zu treten, gerettet zu werden. Denn Jesus sagt allen Leben zu, Leben in Fülle. Die Tür als Einladung – als Angebot – als Zusage!
Fürbitten
Für alle, die vor verschlossenen Türen stehen, die ausgegrenzt werden, denen der Zugang zu einem menschenwürdigen Leben verwehrt wird, z.B. an den Grenzen der EU.
Für alle, die meinen, ein exklusives Recht auf das Leben in Fülle zu haben und versuchen, Türen zu verschließen und sich abzuschotten.
Für alle, die sich aktuell hinter verschlossenen Türen befinden und denen die freie Entscheidung zum Ein- und Ausgehen genommen ist. Menschen in der Großstadt in ihren engen Wohnungen, alte Menschen, die getrennt bleiben sollen von ihren Liebsten, infizierte Personen in Quarantäne, Sterbende.
Für alle, die Türen offen halten, andere Menschen ermutigen, einladen, willkommen heißen.
Für alle, die Leben miteinander teilen und dabei die Fülle des Lebens entdecken.
Hirte, Schafe, Tür. Diese drei Bilder aus dem Evangelium wollten wir mit euch näher anschauen. Vielleicht konnten damit bei euch eigene Gedanken, Überlegungen, Gefühle angeregt werden. Bei dem nächsten Lied könnt ihr diesen weiternachgehen und euch dafür Zeit nehmen.
Schlussgebet
Gott,
dein Sohn ist uns als der Gute Hirte vorangegangen.
Begleite uns aus aller Not,
aus aller Einsamkeit
und aus aller Ratlosigkeit heraus,
damit wir ohne Angst leben können und die Fülle des Lebens finden.
Lass uns etwas aus dieser Feier mitnehmen in unseren Alltag,
damit wir anderen bei der Bewältigung ihres Alltags beistehen
und dich bezeugen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Wochenaufgabe
Wir hatten euch gebeten, uns Bilder oder Worte zu schicken, die euch im Lauf der Woche begegnen und die euch an den gemeinsam gefeierten Gottesdienst erinnern. Schon jetzt sind erste Reaktionen bei uns eingetroffen, die wir hier gerne mit euch teilen!
Gedanken eines Teilnehmers:
Mit der Frage, wo mir der gute Hirte in dieser Woche begegnet ist, hab ich mich zuerst schwer getan. Besonders aber ist, durch die besondere Lebenssituation, alleinlebend und im Homeoffice, dass ich bei meinen nun fast täglichen Spaziergängen in dieser überwältigenden Natur in Feld und Wald mein Gefühlsakku aufladen kann. Ich beobachte mich dabei, dass ich wie ein kleines Kind neugierig neue Wege erkunde und wissen will, wo sie hinführen.